Die Ärztekammer ist die Berufsvertretung der Ärzte. Sie wird von diesen finanziert und soll deren Interessen vertreten. Das Beispiel Wohlfahrtsfonds zeigt, dass die Ärztekammer gelegentlich ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellt und sich sogar gegen die Ärzte stellt.

Neben der Pflichtmitgliedschaft bei der Ärztekammer, sind Ärzte in Österreich auch gezwungen mit bis zu 18% ihres Einkommens eine private Zusatzpension zu finanzieren, zusätzlich zur staatlichen Pension und allen damit verbundenen Abgaben. (§109(3) ÄG) Ärzte, von denen erwartet wird, dass sie sich verantwortungsbewusst um ihre Patienten kümmern, werden bezüglich ihres eigenen Lebens von ihrer Berufsvertretung in einem Ausmaß bevormundet, als ob sie entmündigt wären. Unnötig zu sagen, dass die einzahlenden Ärzte auch keinerlei Mitsprache bei der Veranlagung ihrer Beiträge haben. Beschönigend wird diese Zwangsbeglückung „Wohlfahrtsfond“ genannt. Wessen „Wohlfahrt“ da gefördert wird, wurde u.a. 2011 in einem sehr kritischen Bericht des Rechnungshofes dargestellt.

Aus nachvollziehbaren Gründen gibt es mit dieser Art der ‚Berufsvertretung’ sehr viel Unzufriedenheit unter Ärzten. Und da die Ärztekammer einen Ausstieg aus diesem System verweigert gibt es zahlreiche Klagen von Ärzten.

Im konkreten Fall habe ich alle juristischen Möglichkeiten in Österreich ausgeschöpft, weshalb nun eine Klage vor dem Europäischen Menschengerichtshof gegen den Wohlfahrtsfond der Ärztekammer Wien eingereicht wurde.


Hauptproblem

Bei dem Wohlfahrtsfond handelt es sich um ein System der Bevormundung. Ärzte, die speziell dafür ausgebildet werden Verantwortung für ihre Patienten zu übernehmen, werden bezüglich ihrer eigenen Zusatzpensionsvorsorge entmündigt. Sie werden gezwungen zusätzlich zur staatlichen Pensionsvorsorge einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens (bis zu 18% des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit) für ein privates System aufzuwenden, auf welches sie noch dazu keinen Einfluss haben. Sie müssen auch für die Folgen von Fehlentscheidungen und allfälligem Missmanagement aufkommen, wie z.B. beim Wiener Wohlfahrtsfond.

Sehr viele Ärzte würden deshalb lieber heute als morgen aus dem Wohlfahrtsfond aussteigen und eine allfällige zusätzliche Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen, so wie die übrige Bevölkerung auch. Genau dies wird jedoch von ihrer Berufsvertretung, der Ärztekammer verhindert.

Die zunehmende Unzufriedenheit äußert sich u.a. in den steigenden Ausgaben für Rechtsanwälte, welche die Ärztekammer als Berufsvertretung zwar auf Kosten der Ärzte aber gegen diese engagiert: „Die Kosten für die rechtliche Betreuung des Wohlfahrtsfonds waren laut Ärztekammer Wien durch die steigende Zahl der Verfahren sowie die hohen Beitragsaußenstände zuletzt stark gestiegen (von 31.000 EUR im Jahr 2005 auf 268.000 EUR im Jahr 2010).“ (Rechnungshofbericht 2011)

§ 109. (3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher und/oder zahnärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen nicht übersteigen.

Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien


Zahlreiche weitere Probleme

– Eingriff in die Privatsphäre der Ärzte
Als Folge des Beitragszwanges verlang die Ärztekammer von jedem Arzt jedes Jahr einen vollständigen Einkommensnachweis, bzw. den Steuerbescheid, um das tatsächliche Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit zu überprüfen. Damit bekommt die Ärztekammer Einsicht in das vollständige Einkommen aller Ärzte ist, unabhängig davon ob dieses aus ärztlicher Tätigkeit stammt oder nicht.

Der damit verbundene Eingriff in die Privatsphäre ist vor allem deshalb unverhältnismäßig. Falls ein Arzt weniger Einkommen hat oder fälschlicherweise weniger Einkommen angeben würde, wäre damit ja kein Schaden entstanden, sondern er bekäme einfach weniger Zusatzpension.

Obwohl ich mein Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit korrekt angegeben habe, bestand die Ärztekammer auf der Vorlage des Steuerbescheides. Da ich diesen Eingriff in meine Privatsphäre verweigert habe, schrieb mir die Ärztekammer die Höchstbemessungsgrundlage von 28.000€ pro Jahr vor, was deutlich über meinem eigentlichen Beitrag liegt. Deshalb weigere ich mich diese ungerechtfertigt überhöhten Beitrag zu leisten, weshalb die Ärztekammer, meine Berufsvertretung nun mit der Exekution droht. – Das alles um die Zwangsbeglückung einer Zusatzpension für mich durchzusetzen!

– Willkür in der Festsetzung der Beitragshöhe?
Ferner interpretiert die Ärztekammer selbst, was ärztliche Tätigkeit und somit beitragspflichtig für den Wohlfahrtsfond ist. Dies ist oft wenig nachvollziehbar und erweckt teilweise den Eindruck von Willkür. So werden nicht nur diejenigen Tätigkeiten als ärztlich eingestuft, welche Ärzten vorbehalten sind sondern es werden auch wirtschaftliche Tätigkeiten dazugerechnet, sofern sie von einem Arzt ausgeführt werden. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass alle Zuwendungen der Ärztekammer an die Funktionäre von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfond ausgenommen sind.

– Missmanagement und Fehlentscheidungen
Der Rechnungshof hat in einem Bericht im Jahr 2011 zahlreiche Beispiele von Missmanagement aufgedeckt. So war „Der externe Controller rd. 25 Jahre lang ohne schriftlichen Vertrag für den Wohlfahrtsfonds tätig.“

Darüber hinaus werden die Daten zum Einkommen aller Ärzte auf einem Computer einer privaten Firma gespeichert, welche nicht einmal grundlegende Sicherheitskriterien berücksichtigt, wie der Bericht des Rechnungshofes 2011 ebenfalls vorwurfsvoll dokumentiert. So werden auf dieser Datenbank nicht einmal die Datenzugriffe dokumentiert. D.h. ein allfälliger Diebstahl der Daten würde nicht einmal bemerkt.

– „Wohlfahrtsfond“ eine unsichere Investition
Falsche Investitionen und Missmanagement haben dem ‚Wohlfahrtsfond’ der ÄK Wien in den 90-er Jahren große Verluste beschert. „Die Pensionsleistungen betrugen damals etwa das Vier- bis Fünffache der einbezahlten Beträge. Der Wohlfahrtsfonds war durch die fehlende Beitrags-Leistungs-Äquivalenz in seiner Existenz ernsthaft gefährdet.“

Darüberhinaus wurden diese Verluste teilweise vor den beitragspflichtigen Ärzten verheimlicht: „Nach Auskunft der Ärztekammer sollte jedoch eine Verunsicherung der Fondsmitglieder durch Ausweisung eines negativen Jahresergebnisses hintangehalten werden. Deshalb wurde ein Überschuss in diesem Jahr durch verschiedene bilanztechnische Maßnahmen dargestellt.“

In der Folge waren alle Ärzte gezwungen diese Verluste mit bis zu 20% ihres Beitrages abzudecken. (Satzung des Wohlfahrtsfonds 2011) „ Altlastenbeitrag zur Deckung der Altlast.“

– Ärztekammer verhindert eine zeitgemäße Lösung
Die offensichtlich beste Lösung ist es dem europäischen Standard zu folgen, den Ärzten die gleiche Freiheit zuzugestehen, wie dem Rest der Bevölkerung und die Zusatzpension freiwillig zu gestalten. Dies verweigert die Ärztekammer jedoch bisher. Angesichts der zahlreichen Probleme und Klagen stellt sich die Frage, wie lange dieses überholte Zwangssystem noch verteidigt wird.